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Münster: Freispruch für Hausbesetzer*innen

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[Post, Presseerklärung] Münster (Westf.) | 23.8.2010 – Heute fand ein Verfahren gegen 4 Leute statt, die vom 31.10.-01.11.2010 die ehemalige Gebrüder Grimm Schule in der Scheibenstraße besetzt haben sollen. Trotz Anhörung von 3 Zeugen konnte den Angeklagten die Tat nicht nachgewiesen werden. Der Prozess wurde von vielen Interessierten beobachtet, die teilweise sogar stehen mussten. Nach Verlesung der Prozesserklärung der Angeklagten (siehe Anhang) gab es lautstarken Beifall aus dem Publikum. Dieser verärgerte allerdings den Richter Teklenbourg so sehr, dass er einige der BeobachterInnen des Saales verwies und andere BeobachterInnen den Prozess nur unter den Tischen verfolgten konnten.

Sandra & Max von der Grimm, Prozessbeobachter*innen
Kontakt. besetzt_ms(ätt)gmx.de

Anhang: Die Dokumentation der Prozesserklärung

Prozesserklärung:

Ich möchte erzählen, worum es bei der Besetzung der ehemaligen Gebrüder Grimm Schule ging. Es ging darum ein Soziales Zentrum für Münster zu schaffen. Ein Soziales Zentrum soll ein Ort sein, an dem Menschen unabhängig von ihrem Einkommen am sozialen und kulturellen Leben teilnehmen können. Menschen, die sich nicht den Kaffee auf dem Prinzipalmarkt leisten können. Menschen, die vielleicht auch nicht die 10-20€ haben um sich ein Konzert anzuschauen. Ein Ort an dem alle ihre Ideen verwirklichen können, egal ob sie von Hartz IV leben oder bei Aldi an der Kasse sitzen – was finanziell vermutlich auf das selbe hinausläuft – oder ob sie Professor*innen an der Uni sind. Sie sollen das Haus selbst verwalten dürfen und ihre Kunst anbieten, ihr Gruppentreffen machen oder auch einfach nur abhängen, ohne konsumieren zu müssen und ohne die Dauerhafte Kontrolle von Sozialarbeiter*innen.

Dieser Wunsch nach Freiräumen und dieser Konflikt besteht seit mittlerweile über 10 Jahren. Spätestens seit der Besetzung der ehemaligen Uppenbergschule in der Millenniumsnacht ist das der Stadt Münster bekannt. Seit ebenso langer Zeit reagiert die Politik der Stadt Münster mit der immer selben Ignoranz: Räumen und abreißen, bei der gleichzeitig unverhohlenen Lüge, sie würden sich um ein geeignetes Gebäude kümmern. Sei es die Uppenbergschule 2000, der Lindenhof 2005 oder auch das Q8 im letzten Jahr: Alles Häuser, die gut instand waren, die perfekt hätten genutzt werden können, doch die Stadt ließ sie abreißen und pflegt seitdem ihre Brachflächen. Oftmals – wie am Beispiel der Häuserzeile Grevener Straße besonders gut zu beobachten – setzt sie ihre Interessen auch gegen den Willen der dort ansässigen Mieter*innen durch. Die einzigen um die sich die Stadt Münster seit dem Rödl-Gutachten 2006 noch kümmert, sind die Besserverdienenden, denen sie für 12Mio Euro eine Musikhalle bauen wollte. Gleichzeitig kürzte sie nahezu allen sozialen Projekten wie beispielsweise den Frauenberatungsstellen die Gelder soweit, dass diese um ihre Existenz bangen mussten und teilweise immer noch müssen.

Der Konflikt ist und bleibt ein politischer. Wenn hunderte Menschen in Münster mit Wohnberechtigungsschein auf eine bezahlbare Wohnung warten, weil es sie in der Innenstadt einfach nicht mehr gibt, während in der Grevener Straße Wohnungen bewusst jahrelang nicht vermietet werden um sie später als marode zu bezeichnen und abzureißen, dann ist das eine politische Entscheidung des Stadtrates. Und meiner Ansicht nach ist es völlig legitim, wenn diese Menschen dann in diese Häuser einziehen und dort wohnen, denn es ist ihr Grundbedürfnis ein Dach überm Kopf zu haben.

Ebenso wie Wohnraum gehört die Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben zu menschlichen Bedürfnissen. Ich will nicht in Menschen erster, zweiter und dritter Klasse unterscheiden, alle haben das Recht darauf am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Deswegen bin ich der Meinung, dass dieser Konflikt nicht hier in diesen Gerichtssaal, sondern in den Stadtrat gehört. Die Politik kann noch hundert mal räumen, abreißen und verurteilen lassen, den Bedarf nach einem Sozialen Zentrum schmälert das kein bisschen. Der Versuch der Kriminalisierung stimmt eher wütender und entschlossener, als das er abschreckt. Denn dass er anscheinend nicht abschrecken kann, zeigt sich an den allein 4 Besetzungen über insgesamt 107 Tage im letzten Jahr. Und das auch obwohl die Polizei bei der Räumung der Grevener Straße 53 mit ihrem brutalen Vorgehen Menschenleben auf’s Spiel setzte, da sie ohne Vorwarnung mit schwerem Gerät durch die Frontscheibe fuhr.

Dass ich mich für soziale Belange interessiere und dabei auch Hausbesetzungen gutheiße, dürfte mit einem Blick in meine bisherigen eingestellten Strafverfahren klar sein. Häuser sind nicht dazu da, leerzustehen und abgerissen zu werden. Häuser sind dazu da genutzt zu werden von Leuten, die den Raum benötigen. Dementsprechend finde ich auch das Freiraumwochenende in der ehemaligen Gebrüder Grimm Schule gut und unterstützenswert. Ob ich vielleicht auch gerade aufgrund meiner Vorgeschichte in Anführungsstrichen “nur” auf dem Gehweg stand um meine Solidarität zu bekunden, oder ob ich tatsächlich in dem Haus war, scheint dabei für die Staatsanwaltschaft keine Rolle zu spielen. Der Angriff gilt der ganzen Bewegung und nicht uns vier Einzelpersonen hier, wer dabei was genau gemacht hat oder auch nicht, rückt bei politischen Strafverfolgungen in den Hintergrund. Und im Übrigen spielt es auch für mich keine Rolle, denn ich solidarisiere mich hiermit erneut mit dieser Aktion und den Leuten, die sie durchgeführt haben.

Literaturtipps
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Der ak wantok hat in diesem Buch an die 50 Beiträge vereint, die sich mit der Geschichte, vor allem aber mit der Gegenwart und Zukunft der autonomen Bewegung auseinandersetzen. Der Textsammlung liegt die Überzeugung zugrunde, dass die autonome Bewegung nicht nur ein bedeutendes Kapitel in der neueren Geschichte linksradikalen Widerstands in Europa darstellt, sondern dass sie einen Rahmen geschaffen hat, der auch zukünftig das Schaffen und Verteidigen gegenkultureller Räume ebenso ermöglichen und stärken kann wie den Kampf gegen Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung. Aus der Einleitung: »Autonome Diskussionen finden auf Treffen statt, auf Veranstaltungen und Demos, in Szeneblättern und Internet-Foren. Sie sind breit gefächert, vielfältig und komplex, und das ist gut so. Manchmal jedoch scheinen den Diskussionen gemeinsame Referenzpunkte zu helfen, die Debatten zusammenfassen, zueinander in Beziehung setzen und in historische Zusammenhänge rücken. Dies kann zu mehr Klarheit führen, noch einmal neue Perspektiven ermöglichen und Grundlagen für weitere lebendige Diskussionen schaffen.«

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Gentrification, die Inwertsetzung bisher preiswerter Wohnviertel, hat sich zu einem ständigen Begleiter städtischer Veränderungen entwickelt und steht für die neoliberale Version kapitalistischer Urbanisierung. Sanierte Häuser und neue Gewerbenutzungen stehen nicht nur für einen Wandel der Stadt, sondern vor allem für steigende Wohnkosten, die Verdrängung ökonomisch Benachteiligter und die Durchsetzung neuer Sozialstrukturen in den betroffenen Quartieren. Weltweit lösen diese immobilienwirtschaftlichen Aufwertungsstrategien Proteste und Widerstand der bisherigen Bewohner_innen aus. »Wir Bleiben Alle!« Das Recht zu Bleiben, ist dabei eine zentrale Forderung vieler Stadtteilinitiativen.
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Das Buch Kontrollverluste versammelt Beiträge zu Fragen einer emanzipatorischen und praktischen Kritik an der aktuellen Überwachungsgesellschaft. Es führt sehr unterschiedliche Strategien und Perspektiven der linken Überwachungskritik zusammen. Kritische WissenschaftlerInnen, AktivistInnen und Initiativen stellen theoretische, aber vor allem strategische und aktionsorientierte Überlegungen an, reflektieren ihre Handlungserfahrungen und beleuchten Probleme und Potenziale von Bewegung(en) gegen immer mehr Überwachung und Kontrolle.

Die »Leipziger Kamera. Initiative gegen Überwachung« ist seit 2003 in der Stadt des bundesdeutschen Pilotprojekts zur Videoüberwachung öffentlicher Plätze aktiv. Zu ihren Projekten zählen überwachungskritische Stadtrundgänge (seit 2004), das Festival »DEL+CTRL« (2006), die Veranstaltungsreihe »Salon Surveillance« (seit 2007) und Aktionen wie die Verleihung des »Erich-Mielke- Gedächtnispreises« (2003/2005) und das »Making Trouble«-Wochenende (2006) zusammen mit den Space Hijackers aus London.

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Tipps & Tricks für Antifas
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Aus der Erfahrung des antifaschistischen Widerstands der letzten 20 Jahre heraus gibt Tipps & Tricks für Antifas, jetzt in der aktuell überarbeiteten Auflage, grundlegende Informationen und Unterstützung für die alltäglichen Fragen in der Antifa-Arbeit: Wie gründen wir eine Gruppe? Wie geben wir eine Zeitung heraus und organisieren Veranstaltungen? Wie gehen wir mit Festnahmen und anderen staatlichen Repressalien um? Welche Formen des Widerstandes von der Recherche bis hin zu Demos gegen Nazis gibt es und was ist dabei zu beachten?


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